Udaipur, 1932. Die Tänzerin Editha Fritz-Wölfl und ihr Mann, der Maler Hannes Fritz-München, sind Staatsgäste des Maharana von Udaipur. Sie lernen, auf Kamelen und Elefanten zu reiten, besuchen ein außerhalb gelegenes Lustschloss, bei dem sich wilde Tiere Schaukämpfe liefern und werden Zeugen von zwei der bedeutendsten mehrtägigen Feiern im traditionellen Indien: Den Festtagen für den Maharana und dem Gangarfest. Nie gesehene leuchtende Farbenpracht, geschmückte, riesige Elefanten, die beleuchteten Marmorpaläste, festliche Boote und ein Feuerwerk zum Abschluss machen ihnen bewusst, dass sie nun wirklich erleben, weswegen sie aus Deutschland aufgebrochen sind: Tausendundeine Nacht.
Ein erster Bericht nach Landshut spricht über die Überfahrt auf dem Luxusdampfer Strathnaver und die Ankunft in Bombay, zum ersten Mal auf „braunem indischen Boden“. In ihrem zweiten Brief aus Indien schreibt Editha über die Erlebnisse von Bombay nach Baroda, Ahmedabad und Mount Abu. Dort lernen Hannes und sie sie einen „Heiligen“ kennen, der ihnen die Zukunft präzise vorhersagt.

Fortsetzung des ersten Teils
… mit Eis gekühlte Zimmer, und so fand ich endlich wieder Schlaf und wurde sehr rasch besser. Und was bekam ich als erste Kost in meinen Ruhr-Magen? Sauermilch, und sie bekam mir vortrefflich!
Am frühen Morgen und am späten Nachmittag, wenn die qualvolle Hitze etwas nachgelassen hatte, machten wir Ausflüge in die nahe und weitere Umgebung, an die vielen schönen Seen und auf die Berge. Viel Spaß machten mir die Ritte auf dem Kamel, immer mit dem schwarzen Führer auf dem Tier. Man hatte uns dringend empfohlen, niemals allein den Vorderplatz auf dem Kamel einzunehmen, denn „der Geist“ säße dann rückwärts auf. Viele schauerliche Beispiele sollten uns diesen Aberglauben beweisen.

Interessant, aber nicht sehr angenehm waren Ausflüge auf dem Elefanten. Wir benützten ihn zu kleinen Bergtouren und man braucht auf der hohen Kanzel des Tieres eine Begegnung mit wilden Tieren nicht zu fürchten. Sie kommen schon gar nicht heran. Am Gipfel eines Berges lag ein wunderschönes Lustschloss. Auf seinem flachen Dach waren viele Käfige mit wilden Tieren. Häufig kommt der Maharadschah mit seinen Nobeln und schaut den Kämpfen von Tigern, Bären und Wildschweinen zu, die aufeinander losgelassen werden. Wenig angenehm ist der Abstieg auf einer Elefantenkanzel. Da ist es ein Kunststück nicht seekrank zu werden.
Festtage in Udaipur! Eingeleitet wurden sie durch eine große Paradenschau des Militärs. Stramm und schneidig zogen sie vorüber in leuchtend roter Uniform mit blau-grünen Turbanen, schöne Gestalten. Tags darauf strömte das Volk im Hof des Hauptpalastes zusammen. Er war reich geschmückt und bot einen wundervollen Rahmen zum prunkvollen Fest. Terrassen und Erker, Balkone und Galerien umsäumen ihn und alles war dicht besetzt mit farbenfreudigen Gestalten. Langsam sammelten sich auf der Terrasse die Edelleute in den kostbarsten Seidengewändern, die entblößten Schwerter in der Hand und unter den Klängen der Militärkapellen wurde der Maharadschah feierlich zu seinem Thron getragen. Er war ganz in abschattierte grüne Seide gekleidet. Noch nie sah ich diese Farbenzusammenstellungen wie in diesem Lande bei arm und reich. Im Hof sprangen dressierte schöne Pferde herum, salutierten vor dem Maharadschah und gingen aufrecht stehend auf den Hinterfüßen vorbei an ihm. Im Hintergrund standen die gemalten und feierlich geschmückten Elefanten. Man kann es nicht beschreiben, dieses himmlisch bunte Bild, das sich uns bot! Tagelang wiederholten sich diese Aufzüge im Palasthof, immer andere Vorführungen, neue Zeremonien.
Gangarfest! Wir haben es nicht bereut, es eigens erwartet zu haben; es ist eines der größten heiligen Feste im Staate Udaipur. „Gangar“ ist eine Göttin gleich der Erda unserer Germanen. Es war ein Fest der Frauen. Kein Mann durfte den Zeremonien beiwohnen. Eine endlose Prozession Frauen mit Gangarstatuen zog singend und betend zum See. Dann kam das Militär, stellte sich in zwei Reihen auf, präsentierte das Gewehr, die Nationalhymne wurde gespielt. Elefanten kamen hintereinander, herrlich geschmückt und bemalt, die Edelleute tragend. Es folgten prächtige Pferde mit Nobeln und Beamte, dann ein Elefant mit dem Banner, eine große Fahne in Gold und zuletzt ein Riesenelefant, ganz mit Gold geschmückt, den Thron tragend mit His Highneß, großartig in Orangegelb gekleidet, von Lakaien mit riesigen Federfächern begleitet.
Am See stand das Festboot bereit, ein Riesenboot mit rotem Thron, den die Edelleute mit ihren gezogenen Krummsäbeln feierlich umstanden. Langsam setzte sich das Boot in Bewegung, rechts und links je 10 Ruderer, in Weiß mit roten Schärpen und roten Turban bekleidet. Auch für uns lag ein Boot bereit mit 6 Ruderern, in Blau-Weiß gekleidet. So fuhren wir immer mit der Königsbarke, hinter uns zahllose dicht besetzte Boote. Die Schiffe fuhren von Tempel zu Tempel; überall wurde geläutet und gesungen, wenn der König vorbeifuhr. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, unzählige Lampen beleuchteten die Ufer und die Boote. Nun begann das Feuerwerk, die Wasserpaläste waren in rotes, grünes, gelbes Licht getaucht, unzählige Raketen krachten und am Himmel erschienen Halbmond, Sonne und andere symbolische Figuren, es war tausendundeine Nacht!
Dieses Fest dauerte vier Tage, immer Prozessionen und Feuerwerk, großer Aufzug, immer neue Gewänder, neue Farbenpracht. Am dritten Tag war der Maharadschah in Rosa gekleidet, der Hof und das Volk ebenso. Ja, hier verstehen sie Feste zu feiern; wir leben in einem Taumel von Farben und mächtigen Eindrücken. Zum blutigen Opferfest aber ging ich nicht mit. Die Köpfe von Büffeln und Schafe flogen, His Highneß selbst malte den Pferden und Elefanten heilige Zeichen auf die Stirne.
Die Festtage sind verrauscht; wir nehmen Abschied vom herrlichen Udaipur. Im Herbst sollen wir ja wiederkommen – vielleicht!
Mit Grüßen an Landshut
Frau Editha Fritz-Wölfl
