Briefe aus der indischen Vergangenheit 2

Während der Hochzeitsreise nach Indien im Jahr 1932 berichtet die Tänzerin Editha Fritz-Wölfl immer wieder der heimatlichen „Landshuter Zeitung“ von ihren aufregenden Abenteuern im Lande der Maharajas und Elefanten. Sie ist gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Maler Fritz-München, von Europa aus losgezogen, um fremde Welten zu erobern. Ein erster Bericht nach Landshut spricht über die Überfahrt auf dem Luxusdampfer Strathnaver und die Ankunft in Bombay, zum ersten Mal auf „braunem indischen Boden“.

In ihrem zweiten Brief aus Indien schreibt Editha über die Erlebnisse von Bombay nach Baroda, einer sauberen und europäisierten Stadt mit dem besten Museum Indiens. Von dort nach Ahmedabad, wo das junge Paar zu Gast bei reichen und sehr freundlichen Parsen ist. Bei einem Ausflug nach Mount Abu in 1500 Meter Höhe atmen sie frische, kühle Luft und sind beeindruckt von zwei der ältesten Tempeln Indiens. Dort lernen sie einen „Heiligen“ kennen, der ihnen die Zukunft vorhersagt.

Editha Fritz-Wölfl berichtet aus Indien

Brief aus Indien

Udaipur, 20. März 32.

Liebe Landshuter Zeitung!

Ich gedachte Ihnen aus Delhi oder aus dem Himalaya-Gebiet wieder zu schreiben, nun haben wir aber erst den halben Weg nach dort zurückgelegt. Es hat uns so viel Schönes aufgehalten, daß wir gerne die große Hitze noch etwas ertragen.

Am 24. Febr. verließen wir Bombay und fuhren in 9 Stunden nach Baroda. Die Gegend war meist trostlos, Sand, Staub, manchmal unterbrochen von Palmen- und Kakteenwäldern. Die Hitze tötet fast jegliche Vegetation, was übrig bleibt ist Staub. Baroda ist eine schöne, große, sehr sauber gehaltene Stadt, stark europäisiert. Der Markt bietet ein buntes, wildbewegtes Bild. Der Lärm ist ohrenbetäubend wie überall im Süden. Wir waren ausgezeichnet und entzückend im „Guesthous Baroda“ untergebracht. Man wohnt in kleinen Häusern inmitten eines herrlichen Gartens. Hier blühten die herrlichsten Orchideen und wundervoll bunte Vögel saßen in den Palmen. Eine Menge Papageien und Affen sorgte für Unterhaltung und besonders letztere sind zu witzig. Baroda besitzt das wertvollste Museum des Landes. Wir lernten den Curator desselben kennen, einen hochgebildeten feinen Inder, der sich um uns annahm und uns viel zu sich in seinen vornehmen Bungalow (Villa) einlud.

Er zeigte uns auch das Innere des herrlichen Palastes des Maharadschas. „His Highneß“ – so werden die Maharadschas angesprochen – ist schon 1 Jahr lang in Europa und ist einer der reichsten Fürsten Indiens. Seine Schatzkammer, welche wir zu sehen bekamen, birgt unerhörte Werte. Unbeschreiblich ist die Pracht der Edelsteine und Perlen. Die Staatskarosse ist aus purem Gold, ebenso die Festgeschirre der Elefanten. Eine eigene Kompagnie Soldaten bewacht den Palast Tag und Nacht. Hier begegneten wir auch zwei Deutschen – Innenarchitekten, welche den Auftrag haben, den Palast ganz zu renovieren. Sie verschafften uns eine Einladung zu einem großen Gartenfest, welches der „Prince“ als Vertreter des Maharadschas einer politischen Konferenz zu Ehren gab. Es war hochinteressant für uns.

Hier bin ich auch zum erstenmale auf einem Elefanten geritten. Diese vornehmsten Tiere Indiens gehören zu den unentbehrlichsten Repräsentationsobjekten. Der Maharadschah von Baroda besitzt ungefähr 20 Elefantenhäuser und ca. 60 ausgesuchte Prachtexemplare. Später in Udaipur sahen wir ein Elefantenrennen. Es war ein mächtiger Anblick, wie die großen Tiere immer zu dreien um die Bahn sausten. Entzückend waren drei Elefantenbabys, welche auch mittaten. Plötzlich streifte eines davon, machte kehrt, streckte das Schwänzchen steil in die Luft und schrie herzzerreißend.

Interessant war ein Autoausflug. Ein indischer Großgrundbesitzer nahm uns mit zur Inspektion seiner Ländereien. Wir durchfuhren viele Wüstenstrecken und wurden in seinen Dörfern mit viel Feierlichkeit empfangen. Trommelwirbel kündigte uns an, das Volk mit seinen bunten Gewändern lief mit wahnsinnigem Geschrei zusammen; Tänze, Ansprachen wurden gehalten und im größten Meierhof wurden wir endlos bewirtet und schließlich mit Blumengirlanden behängt. Viele von den Leuten hatten noch nie „Weiße“ gesehen; sie belagerten uns richtig, die Frauen meist ganz verschleiert. Da kam auch ein Hochzeitspaar, wir konnten Aufnahmen davon machen. Die schwarzbraune Braut trug unbändig stolz ihr ganzes Vermögen zur Schau in Form von Schmuck an Händen, Armen und Füßen, sogar durch die Nase hatte sie einen Goldreif gesteckt. Die linke Hand war vielleicht mit 50 Ringen bespickt, sie konnte die Finger nur mehr gespreizt halten, denn bis an die Fingerspitzen saßen die Ringe aus Gold, Silber und Elfenbein.

Anfangs März fuhren wir nach Ahmedabad und waren dort Gäste von einem jungen Parsenpaar. Sie hatten als Hochzeitsgabe eine große, herrlich eingerichtete Villa mit allen modernsten europäischen Errungenschaften mitbekommen. Fast aller Großhandel in Indien liegt in den Händen der Parsen. Sie sind alle sehr reich und freigebig. Die schönsten öffentlichen Bauten Bombays stammen aus ihren Spenden. Sie sind Feueranbeter und übergeben ihre Leichen – wie schon mitgeteilt – den Geiern zum Fraß. Wir wollten nur zwei Tage bleiben, es ist eine Woche daraus geworden. In Ahmedabad besichtigten wir einige herrliche Hindutempel. Sinnverwirrend ist die Steinornamentik all dieser Säulen, Hallen und Decken. Eine einzige Säule ist oft mit 2-3000 kleinen Figuren geschmückt, alles in Marmor gehauen. In käfigartigen Nischen stehen die Götterbilder – meist scheußliche Fratzen. Die Brahmanen (Priester) und die Leute beten laut und singend. Sie bilden dabei aus Reis Figuren, ein richtiges Hakenkreuz, einen Halbmond und immer drei Punkte darüber. Groß ist die Zahl der grausig verstümmelten Bettler. Da und dort saßen und standen in der Sonnenglut Yogins, das sind freiwillige Büßer. Sie sind ganz mit Asche bestreut, zum Teil kahl geschoren und verharren bewegungslos in den verrücktesten Stellungen.

Von Ahmedabad fuhren wir einige Tage ins Gebirge nach Mount Abu, 1500 Mtr. hoch. Wie atmeten wir auf in der wesentlich viel frischeren Luft und wie großartig ist hier die Landschaft! Das Lavagestein zeigt die bizarrsten Gebilde, dazwischen Palmen – wie Bilder aus der Bibel. Hier hausen viele wilde Tiere, die Schluchten und Höhlen mit all dem Gestrüpp sind gute Schlupfwinkel für Bären und Leoparden. Mount Abu ist bekannt wegen zwei der schönsten und ältesten Tempel aus dem Jahre 1032. Ganz aus Marmor, sind die Decken und Wände wie mit Spitzen bedeckt. Man findet keine Worte ob all dieser hoch stehenden Kunst! Neben diesen Tempeln fanden wir einen Heiligen, zu dem täglich Hunderte pilgern und dem selbst die wilden Tiere, bei denen er in Höhlen lebt, untertan sein sollen. Er war über Deutschland genau unterrichtet, sprach von den kommenden Wahlen, dass es nicht viel besser werde, dass aber auch keine blutige Revolution käme. Dagegen wachse sich der Krieg China-Japan zu einem großen Weltkrieg aus, der viele Jahre dauern wird. Richtig erholt und gestärkt zogen wir weiter, besichtigten Polanpur und landeten am 17. März in Udaipur. Udaipur, ein rein indisches Märchen, ein zweites Venedig, an einem großen See gelegen.

Mit vielen Grüßen an Landshut Ihre

Frau Editha Fritz-Wölfl

4 Antworten zu “Briefe aus der indischen Vergangenheit 2

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  3. Wirklch sehr informativ! Werde aufjedenfall wieder kommen. Danke fuer den Beitrag.

    Gruss
    Andres

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